Eine zersplitterte Windschutzscheibe, zerbeultes Blech und verdrehte Gliedmaßen je öfter Unfallbilder über den Fernsehbildschirm flackern, desto unwirklicher werden sie. Für Mauritzer Gymnasiasten wurden sie bei Crashtests in Wolbeck nun greifbar.
Die Oberstufenschüler des Gymnasiums St. Mauritz warten knapp zehn Meter von der Absperrung der Teststrecke an der Münsterstraße entfernt. Weiter als die Sicherheitsvorschriften es erfordern würden. Der Unfall wird für die Schüler greifbar, natürlich, sagt Lehrer Gerhard Canstein, der ein wenig abseits steht. Gerade bei den Kinder-Dummies, wenn die Gliedmaßen nach dem Aufprall in alle Richtungen ragen. Das ist schockierend für die Schüler.
Der Ausflug zur Wolbecker Crashtest-Anlage soll Physik und Gesundheitserziehung miteinander verbinden und Unfällen vorbeugen: Wir haben unter unseren Schülern viele Fahranfänger, da ist das besonders wichtig, findet Canstein.
Bremsversuche
Die Firma Crashtest-Service, die mit ihrer Teststrecke in Zusammenarbeit mit Schimmelpfennig & Becke Schadensfälle rekonstruiert, zeigt den Schülern zwei Bremsversuche, mit je 30 und 50 Stundenkilometern. Der Bremsweg quadriert sich bei Verdoppelung der Geschwindigkeit, weiß Canstein. Fernab der Theorie kennt Norbert Sudmann, der mit Schülern der Telgter Kardinal-von-Galen-Realschule ebenfalls die Anlage besichtigt, die praktischen Unfallfolgen: Ein Bekannter arbeitet in der Unfallchirurgie. Nicht zuletzt wegen seiner Erzählungen trage ich immer einen Helm.
Barriereprallversuche können die Schüler auf einer Leinwand in der Halle hinter der Teststrecke mitverfolgen. Ein blauer Lieferwagen knallt gegen eine Betonwand. Die Schüler sollen die Geschwindigkeit schätzen: Sechzig, ruft einer, andere tippen auf 100 Stundenkilometer. Die Geschwindigkeit lag bei 121 Stundenkilometer, erzählt Ingenieur Wolfram Kalthoff, hätte da jemand drin gesessen, er hätte nicht überlebt. Das gilt auch schon für niedrigere Geschwindigkeiten, wie die 64 Stundenkilometer, mit denen der weiße Golf gegen die Wand prallt, sich biegt, sich dreht und ein Stück zurück verformt: Selbst wenn äußere Verletzungen nur leicht sind, derlei Unfälle überlebt man nicht: Die inneren Organe zerreißen, das Gehirn schlägt gegen die Schädeldecke, sagt der Ingenieur. Einige Schüler saugen hörbar Luft ein.
Aufmerksame Schüler
Szenarien, die unscharf und grau erschienen, werden vorstellbar: Eigentlich sollte jeder Fahranfänger die Gelegenheit haben, hierher zu kommen, sagt Norbert Sudmann. Auch Gerhard Canstein glaubt, dass die Tests ihre Wirkung nicht verfehlen: Die Schüler sind heute auch viel aufmerksamer als sonst.
Dominique Snjka