Kitschig sah das Plakat aus, das zur Vernissage am vergangenen Dienstag einlud. Und das ergab durchaus Sinn. Die Ausstellung des Projektkurses Kunst am Gymnasium St. Mauritz zeigte nämlich Arbeiten zu genau diesem Oberthema. Ein Schuljahr lang hatten sich neun Schülerinnen und ein Schüler unter der Regie ihres Kursleiters Thorsten Müller mit diesem Thema beschäftigt. Wer meint, Kitsch sei subjektiv, der hat – teilweise – recht; wer aber denkt, die künstlerische Auseinandersetzung sei dadurch beliebig, banal oder sogar besonders leicht, der irrt, wie die Projektkursmitglieder bei den Vorträgen am vergangenen Mittwoch einhellig bestätigten.
Nach einer Eröffnungsrede durch Lea Greger, die sich mit Kitsch in der Mode beschäftigte, gab es eine kleine musikalische Eröffnung in der Kulturhalle des Gymnasiums, wo die Projektarbeiten noch bis zum kommenden Freitag zu sehen sind. Nacheinander stellte jeder seine Arbeit vor: Laura Winner startete mit ihrer Fotoausstellung zu kitschigen Schminktrends 2017, ihre Schwester Anna präsentierte ein Märchenbuch mit Bodypainting-Illustrationen. Als eine Art „Kulturschock einer Mädchenkindheit“ wirkte Franziska Bertels‘ Kitschecke mit überspitzt bearbeitetem Spielzeug. Eher klassisch war die Technik, die zwei Schülerinnen in Form von Gemälden für ihre Arbeiten gewählt hatten. Während Paulina Czyz eine Christus-Abbildung aus dem 19. Jahrhundert anhand zweier Acrylbilder zur Diskussion stellte, zeigte Patricia auf drei Ölgemälden, was sie auf der Grundlage ihrer Recherche zu Kitsch in der Kunst der letzten Jahrhunderte herausgefunden und verarbeitet hat
Der Frage des Kitschempfindens durch Massenkonsum ging Fee Paulus in ihrer Arbeit nach, indem sie Puppen anfertigte, die durch ihre Individualität der Kitschdefinition trotzen. Rauminstallationen zeigten Nouria Albert, die in einem rosa-hellblau gestalteten Raum mit Flauschteppich Kitsch mit allen Sinnen erfassbar machte, und Sophie Neiss, die sich mit dem Verhältnis von Kitsch und Horror anhand malträtierter Puppen in einem schwarzen Raum beschäftigt hatte. Der einzige männliche Kursteilnehmer, Hendrik Marxkors, verwies mit einer Serie von vier Kleinstatuen auf den Kitsch in ehemaligen politischen Regimen Europas und zeigte damit die politische Vereinnahmung des Klischees.
Die im Rahmen des Projektkurses gestalteten und präsentierten Arbeiten ersetzen in der Schullaufbahn die obligatorische Facharbeit in der Jahrgangsstufe 11. Sie können anschließend anhand einer zusätzlichen schriftlichen Arbeit sowie einer mündlichen Prüfung noch ausgeweitet werden zu einer sogenannten Besonderen Lernleistung, mit der Abiturientinnen und Abiturienten eine Zusatzleistung zu ihrem Abitur erbringen und somit weitere Punkte für ihre Abiturnote sammeln können. Die Projektkurse finden seit einigen Jahren regelmäßig am Gymnasium St. Mauritz statt und erfreuen sich trotz des nicht unerheblichen Arbeitsaufwandes einiger Beliebtheit. Neben dem Fach Kunst wurden auch bereits Kurse in den Fächern Geschichte/Religion, Informatik, Biologie und Sport angeboten.
Thorsten Müller